35 Jahre sind genug – die Biermösl Blosn löst sich auf:
Ein Interview mit Hans Well von
Barbara Teichmann
Wie ist Ihre Gemütslage – erleichtert, froh, wehmütig,
traurig?
Von jedem etwas. Es überwiegt natürlich schon das
Bedauern. Bei mir besonders, weil ich ja nicht aufhören
wollte. Ich wollte eine Programmerneuerung, aber nicht
aufhören. Die Situation ist für alle Beteiligten nicht
ganz einfach, das ist ja klar, wenn man so lange Zeit
zusammengespielt hat. Wir treten noch bis Ende Januar
gemeinsam auf, fangen aber schon an mit dem
Abschiednehmen.
Eine Trennung nach 35 Jahren beschließt man nicht von
heute auf morgen, wie lange tragen sie sich schon mit
dem Gedanken aufzuhören?
So ca. seit zwei Jahren haben wir das Gefühl gehabt,
dass… nein, eigentlich schon seit fünf Jahren. Ich
wollte schon länger ein neues Programm machen, aber
meine Brüder haben abgelehnt und gesagt, dass Ihnen das
zuviel Druck und Stress sei. Eines Tages haben sie mir
dann mitgeteilt, dass sie mit den Wellküren ein neues
Programm machen wollen und ich hab gesagt: Okay, ich bin
dabei aber machen wir vorher was für uns. Da haben der
Michal und der Stopherl dann gemeint, dass sie die
Biermösl Blosn eher als Auslaufmodell sehen. Tja und da
habe ich dann auch realisiert, dass das nichts mehr
wird.
Wie sollte die Programmerneuerung aussehen?
Ich wollte, dass wir uns inhaltlich neu und auf der Höhe
der Zeit aufstellen. Ein neues Programm zu dem
bestehenden dazu – das hätte uns wieder um Jahre
vorwärts gebracht. Ein Großteil unseres Programms kommt
aus einer Zeit, quasi aus der Vor-Fukushima-Ära. Was zum
Beispiel das Thema Kernkraft betrifft, merkt man ja, wie
schnelllebig allein das letzte Jahr war: Vor einem Jahr
Laufzeitverlängerung und jetzt Atomausstieg. Und was
dazwischen war – darauf muss man halt reagieren. Auch
die Machtposition der CSU hat sich verändert. Es gibt ja
kaum mehr diese gstandenen Typen mit diesem gwamperten
Selbstbewusstsein.
Ist es rückblickend einfacher oder schwieriger, mit der
Familie zu arbeiten?
Beides. Zunächst hat man es einfacher, weil die Familie
eine bestimmte Vertrautheit voraussetzt. Andererseits
ist man in einem bestimmten Rollenverhalten gefangen und
das kann irgendwann zum Bumerang werden.
Ist diese Trennung ein endgültiges Aus, oder kann es
sein, dass die Biermösl Blosn irgendwann wieder zusammen
kommt?
Bestimmt nicht. Das wäre ja kindisch. Das ist nicht so
geplant, weder von meinen Brüdern noch von mir. Und das
ist auch besser so. Man muss sich auf was Neues
konzentrieren können. Ich will ja weiterspielen.
Gibt es dafür schon konkrete Pläne?
Zunächst werde ich mir ein neues Programm erarbeiten und
auf Kleinkunstbühnen spielen. Einen Teil der
Biermösl-Texte , die ja alle von mir sind, werde ich
übernehmen. Eventuell gibt es eine Zusammenarbeit mit
dem Dieter Hildebrandt oder der Maria Peschek. Ich
probier jetzt einfach mal aus, in welcher Formation ich
weitermachen will, mit welchen Musikern und auch
sonst.
Die Biermösl Blosn ist eine Mischung aus Musik und
politischer Satire – welcher Anteil ist der Wichtigere?
Beides ist wichtig. Wir haben oft bekannte
Volksmusikmelodien genommen und einen anderen Text
darauf gesungen, haben die Volksmusik ins Jetzt geholt.
Das war neu. Vorher hat die Volksmusik in einer
Gesellschaft stattgefunden, die es schon lange nicht
mehr gab: Mägde, Knechte und Rösslein, die der Bauer
anspannt… Der Realismus, den wir mit unseren Texten
hinein gebracht haben, hat mit den Klischees der
Volksmusik gebrochen und ein neues Spannungsfeld
aufgetan. Dazu kam, dass die Musik vor allem durch meine
Brüder einfach gut gespielt war.
Es war Ihnen von Anfang an ein ernstes Anliegen, die
echte Volksmusik wiederzubeleben…
… und sich darüber lustig zu machen. Die Kreise, in
denen Volksmusik damals gepflegt wurde, da waren ja fast
nur Greise dabei. Für mich war die Volksmusik nie
heilig, wir wollten sie auch nicht retten. Wir waren
halt so sozialisiert, wir kamen aus einer Familie, in
der bayerische Volksmusik gemacht wurde. Wir haben
nichts anderes gekannt und gekonnt. Ich habe es auch nie
als Wert an sich gesehen, wenn einer bayrisch redet. Es
kommt darauf an, was er sagt.
Auf Eurer Homepage schreibt ein trauriger Fan: „…ohne
biermösl siag i die csu scho bei 99,8%!!“ – Ist diese
Angst berechtigt?
Das ist ein Blödsinn. Wir sind nur ein kleines Rädchen
im Getriebe. Die Anti-Atomkraftbewegung, die vor 20
Jahren noch eine Randerscheinung war, ist inzwischen in
der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und das waren
nicht nur wir, sondern viele: andere Kabarettgruppen,
Schriftsteller, Politiker – eine Vielzahl an Faktoren.
Also diesbezüglich habe ich mich und die Biermösl Blosn
noch nie überschätzt. Im Gegenteil: Ich hätte Angst vor
einem Publikum, das sich von uns so beeinflussen lässt,
dass es auf einmal anders wählt. Unser Verdienst war
vielleicht, dass sich die Leute bei uns Themen angehört
haben und darüber nachgedacht haben, mit denen sie sich
sonst nicht beschäftigt hätten, und das ist schon viel.
Mehr kann man nicht bewirken.
Nein?
Nein. Außer man ist Demagoge. Und das will ich nicht
sein.
Sie sind jemand, der es sagt, wenn ihm was nicht passt.
Ärgert es Sie, dass so viele Leute das nicht tun und
einfach hinnehmen, was „die da oben“ mal wieder
beschlossen haben?
Klar ärgert mich das. Der größte Feind der Demokratie
ist das Desinteresse.
Woher kommt dieses Desinteresse?
Durch diese unglaubliche Reizüberflutung. Sich billig
unterhalten und ablenken zu lassen, ist die größte
Gefahr. Man lenkt sich ab von den Dingen, die wirklich
wichtig sind. Ich sehe das als die größte Gefahr für die
Menschheit überhaupt. Ich hab mal eine Karikatur
gesehen, da sieht man ein Grab und aus dem Grabstein
ragt eine Fernsehantenne. Das trifft’s.
Haben Sie ein Handy?
Nein, und manchmal verfluche ich das, wenn ich zum
Beispiel im Auto sitze und spät dran bin und nirgends
gibt es eine Telefonzelle, weil man die ja alle abgebaut
hat. Ich leide also durchaus darunter, dass ich keins
hab, auf der anderen Seite macht man sich damit zum
Knecht und ist allzeit erreichbar.
Die Biermösl Blosn hat viele Preise und Auszeichnungen
bekommen, würden Sie sagen, Sie sind Teil des
Kulturbetriebs geworden?
Ja, aber das ist für mich nichts Negatives. Du musst
halt aufpassen: Viele Leute mögen einen, aber nicht von
allen will ich gemocht werden. Und je bekannter man
wird, desto mehr wird man gemocht. Das ist nicht immer
gesund.
Wie schafft man es, sich 35 Jahre lang von nichts und
niemandem instrumentalisieren zu lassen?
Sich nicht überschätzen, sondern realistisch einordnen.
Und diesbezüglich war es ein großer Vorteil, dass wir
Brüder sind. Wir haben zusammengehalten, sind eine
Einheit gewesen.
Man könnte ja auch sagen: Drei Leute bieten mehr
Angriffsfläche, aber bei Ihnen war es wohl eher
umgekehrt?
Eher. Ja.
Sie wirken schon ein bisschen traurig…
Ja natürlich, aber in gebührendem Maßen. Aber alle
Nachrufe sind verfrüht. Es hat mich sehr gefreut, dass
in den letzten Tagen viele Leute und Veranstalter
angerufen haben, und meinten: Hans, wenn Du ein neues
Programm hast, dann spiel bei uns. Ab sofort kann ich
mein Tempo selbst bestimmen und das ist ein guter Weg
für mich. Ich bin bestimmt kein Getriebener, der nur
glücklich ist, wenn er möglichst viel macht. Aber es
soll schon so sein, dass ich mit Anstand auf der Bühne
stehe und wirklich das Gefühl habe, ich biete etwas
Zeitgemäßes. |